Tag 3: 18.000 Mark

06.12.2018 00:50 Uhr

Schmatzend und etwas in sich gekehrt lungert die ruhige Stimme des Mittevierzigers immer noch in meinem Ohr. Dieser Mittevierziger, der uns im Büro bei einem großen Musikverlag gegenübersitzt und dessen Brötchengeber unter den geänderten Bedingungen der Märkte leidet. Seit ein paar Monaten ist die strukturelle und konjunkturelle Unternehmenskrise allgegenwärtig. Die Branche hat sich verzockt und ist angeschlagen. Nebenan ist schon alles leergeräumt, die Etagen oben drüber sind bereits neu vermietet. Außen hängen wenigstens die großen Buchstaben noch an der Fassade, darum haben wir ein paar Fotos geschossen, wer weiß wie lange das noch gehen wird. Auf der Suche nach Antworten auf Fragen, die er in Wahrheit nicht hören wollte, schaut er uns schweigend an. Schlecht ist, wenn man gezwungen ist, nicht über den eigenen Schatten zu springen – nicht ehrlich sein darf, um den eigenen Stuhl nicht zu gefährden. Wir wollten nicht viel mehr, als in Erfahrung bringen, wie unsere gemeinsamen Projekte weiter gehen oder wie wir sie zumindest würdevoll zu Grabe tragen. Immerhin die Schecks waren gedeckt. Blauäugig sind wir lange nicht mehr, die Arbeit in der Unterhaltungsbranche ist kein Zuckerschlecken. Wegen Gemeinnützigkeit oder wegen der Kunst sind wir längst nicht mehr im Einsatz, soviel ist klar, aber auch wenn es nur ums Geld geht, sollte man das Aufgebaute nicht von heute auf morgen einfach wegwerfen. Es gibt draußen noch immer tausende, ja zehntausende Fans, für die einzig die Liebe zur Musik wichtig ist.

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Zitat des Tages

“Das was Hip Hop wirklich ist, ist im gleichen Moment in dem es erdacht wurde wieder gestorben. Eine Sekunde, ein kurzes Zwinkern, mehr nicht. […] Etikettenschwindel, um ein paar lumpige Scheine zu verdienen.” aus dem Editorial ‘Spalte 1’ vom WESTCOAST-ZINE  08/2000

Musikstück des Tages

Rapper’s Delight – Sugarhill Gang / Promo-Video 1979