Tag 3: 18.000 Mark
06.12.2018 00:50 Uhr
Schmatzend und etwas in sich gekehrt lungert die ruhige Stimme des Mittevierzigers immer noch in meinem Ohr. Dieser Mittevierziger, der uns im Büro bei einem großen Musikverlag gegenübersitzt und dessen Brötchengeber unter den geänderten Bedingungen der Märkte leidet. Seit ein paar Monaten ist die strukturelle und konjunkturelle Unternehmenskrise allgegenwärtig. Die Branche hat sich verzockt und ist angeschlagen. Nebenan ist schon alles leergeräumt, die Etagen oben drüber sind bereits neu vermietet. Außen hängen wenigstens die großen Buchstaben noch an der Fassade, darum haben wir ein paar Fotos geschossen, wer weiß wie lange das noch gehen wird. Auf der Suche nach Antworten auf Fragen, die er in Wahrheit nicht hören wollte, schaut er uns schweigend an. Schlecht ist, wenn man gezwungen ist, nicht über den eigenen Schatten zu springen – nicht ehrlich sein darf, um den eigenen Stuhl nicht zu gefährden. Wir wollten nicht viel mehr, als in Erfahrung bringen, wie unsere gemeinsamen Projekte weiter gehen oder wie wir sie zumindest würdevoll zu Grabe tragen. Immerhin die Schecks waren gedeckt. Blauäugig sind wir lange nicht mehr, die Arbeit in der Unterhaltungsbranche ist kein Zuckerschlecken. Wegen Gemeinnützigkeit oder wegen der Kunst sind wir längst nicht mehr im Einsatz, soviel ist klar, aber auch wenn es nur ums Geld geht, sollte man das Aufgebaute nicht von heute auf morgen einfach wegwerfen. Es gibt draußen noch immer tausende, ja zehntausende Fans, für die einzig die Liebe zur Musik wichtig ist.
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Zitat des Tages
„Das was Hip Hop wirklich ist, ist im gleichen Moment in dem es erdacht wurde wieder gestorben. Eine Sekunde, ein kurzes Zwinkern, mehr nicht. […] Etikettenschwindel, um ein paar lumpige Scheine zu verdienen.“ aus dem Editorial ‚Spalte 1‘ vom WESTCOAST-ZINE 08/2000
Musikstück des Tages
Tag 2: Nicht in Berlin zu sein, das ist eine Strafe
05.12.2018 00:50 Uhr
Automatisch vielfältig, nur weil die Quote der zugezogenen Stadtbewohner mittlerweile bei 53 % gastiert, wie RBB und das Statistikamt unlängst erhoben, sind die zufällig beobachteten Berliner nicht. Eine vierstellige Anzahl von Siedlungen, Dörfchen und Städten in der ganzer Welt ist Quelle dieser 1,9 Millionen Menschen, vielleicht liegt es an der Jahres- oder Tageszeit, am Ort, am Wochentag, aber ausnahmslos alle haben den gleichen starren, bloß-keine-Regung-zeigen-Blick und machen ihr Ding. Man trägt auch überwiegend schwarz und ignoriert. Die Attitüde gibt es möglicherweise mit dem Zettel vom Einwohnermeldeamt automatisch dazu, denn in anderen europäischen Millionenstädten ist das Bild ein anderes, trotz ähnlich gewachsener Einwohnerstruktur. Vielleicht ist das lauffeuerartig verbreitete Kopieren des Gegenüber aber nur eingebildet und durchs darüber Nachdenken und danach Ausschau halten verschwimmt der Blick auf die Realität. Sozusagen selektive Wahrnehmung.
Berlin, ich liebe dich! ?
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Zitat des Tages
„Ich fühl‘ mich wie ein Pferd, Alter“ (die 17-Jährige Katharina zu ihrer Freundin, über ihre neuen Winterschuhe) – traf die beiden zufällig, kurz bevor ich meinen Briefkasten aufschloss, zwei Briefe und einen Werbeflyer heraus nahm und im Haus verschwand.
Musikstück des Tages
„Wir ham’s getan“ (Moses Pelham)
Tag 1: Stefan-Wolf-Kunst-Kollektiv?
04.12.2018 00:50 Uhr
Kunst ist relativ, weshalb du auch alles heraufbeschwören und hin konzipieren kannst, was du willst und jeden schräg angucken darfst, der es kritisch bewertet. So wie früher® Doktor Sommer auch nicht ein einzelner Mann war, der Tag ein, Tag aus, alleine in einem anonym unauffälligen Zimmer in einem noch viel anonymeren Hochhaus in Hamburg saß, ist natürlich auch dieser Stefan Wolf gar nicht ein einzelner Mann, der sich die bunten, sehr oft auch sehr gesellschaftlich-über-die-Stränge-schlagenden Geschichten von Tim, Karl, Klößchen und Gaby ausgedacht hat. Das Gaby, „das ist nichts für Mädchen“, auch immer mal objektiv kindlich, subjektiv fragwürdig, an den Rand gestellt wurde ist nicht die Willkür einer Einzelperson. Verkaufen kannst du das aber alles ohne Probleme und machen sowieso, ist ja abgesegnete Unterhaltung.
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Zitat des Tages:
„Die Internet-Pornographie hat nicht mehr das große Faszinierende für mich, wie vor ein paar Jahren noch.“ (Olli Schulz)
Musikstück des Tages:
„Korn und Sprite“ (Tomte)
Tag 0: Quatsch mit Soße
Update 10.10.2023 19:00 Uhr
Hinweis: Diese Seite ist knapp 5 Jahre alt, dazwischen lag eine Phase die Dinge verändert hat – ihr wisst es, ihr wart dabei. Diese Seite ist zum Teil Satire, Faktion, ein Kunstprojekt und auf gar keinen Fall völlig Ernst zu nehmen. Weißte Bescheid, okay?
Ursprünglich gestartet am 03.12.2018 00:49 Uhr
Alleine der Umstand, dass man sich überlegt, etwas sein zu lassen, verändert noch nichts. Es ist auch nicht innovativ oder gar konsequent, zu sagen, dass man auf digitale Zeitrauber verzichtet. Dieses Vorhaben hat diesen Anspruch auch nicht. Es ist jedoch schön, endlich wieder Texte in einen Blog zu tippen und danach den PC (ja, ich sitze vor einem richtigen Monitor mit richtiger Tastatur) abzuschalten und weltlich gewöhnliche Dinge zu tun.
„28 days unsocial“ ist nichts weiter als ein privates Vorhaben, mindestens 28 Tage lang auf überflüssige, überbewertete, überlebensunwichtige und über alle Maßen überemotionalisierte, zeitraubende Sachen zu verzichten.
Früher hing man vielleicht ein paar Stunden vor dem Monitor und dann war der Tag zu Ende, heute hat man das Internet ständig in der Hand und schenkt Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest oder LinkedIn seine Kraft.
Nicht von dieser Welt,
sie sind nur Kings in ihren Traum,
Traumschlössern ausgedacht
in einem Instagram-Account
Alles Models, Designer,
junge Möchtegern-Millionäre […]
Zitat: Savaş Yurderi
Savas hat Recht und er beschreibt es richtig. Die Menschen jagen die Klicks und Herzchen, aber was machen sie dann damit? Ausdrucken, an die Wand kleben? Wen interessiert es?
Was passiert in den kommenden Tagen?
Wahrscheinlich folgt jeden Tag um 00:50 Uhr ein neuer Blogeintrag, vielleicht auch nicht, es hat keine Auswirkung auf dich als Leser oder die Welt ansich, aber für mich ist es befreiend.
Ich habe alle Apps, bis auf WhatsApp von meinem Handy verbannt. Wer mich erreichen möchte, weiß wie. Telefonieren ist ja bereits erfunden. Am 4. Dezember 2018 geht’s los.
Zitat des Tages:
„Wenn du millionen Hände schüttelst, sind immer auch ein paar schmutzige dabei.“ (Christian Dinse)
Musikstück des Tages:
„Let there be rock“ (Tocotronic) bei VIVA Overdrive, 2009